Hiermit vergraulen Sie mit Stellenausschreibungen garantiert Kandidaten

Sie suchen nach geeigneten Fachkräften und wundern sich, dass Sie keine finden. Sie können dabei zum Schluss kommen, dass wir einen Fachkräftemangel haben und dann lauthals klagen, dass es keine Fachkräfte gäbe (wird hiermit ausdrücklich bestritten!) Sie können sich aber auch hinsetzen und, wie jeder gute Unternehmer, selbstreflektierend Überlegen, was der Grund für die Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt sein könnte.

Natürlich sind diese vielfältig. Und wie Sie sind auch einige andere Wettbewerber auf dem Arbeitsmarkt auch auf die Idee gekommen, dass man den Kandidaten etwas bieten muss, um diese zu locken und zu binden.

Folglich werden Sie nun diese Angebote in ihren Ausschreibungstexten aufnehmen. Ist doch logisch. Aber HALT!

Im Folgenden betrachten wir mal aus der Sicht der Arbeitskraftanbietenden (also der Fachkräfte) einige in Stellenausschreibungen übliche Floskeln und Angebote. Wie wirken diese auf den Kandidaten? Werden die Wunschkandidaten Ihnen die Tür einrennen?

Oder anders gesagt: Machen Sie nicht die gleichen Fehler, wie alle anderen! Warum? lesen sie folgend.

Und noch eines Vorab, schließlich stellt sich ja die Frage nach meiner Expertise in der Hinsicht. Schließlich bin ich kein Personaler: Ich war (und bin theoretisch immer noch) einer dieser Fachkräfte, die Sie an sich binden wollen. Und ich bin auch ein Arbeistkraftanbietender.

Aber nun los!

Wir sind ein dynamisches Team!

Gratulation!

Dynamische Teams sind ja echt toll! Und so etwas von abschreckend.
Warum? Na, wenn das Team dynamisch ist, heißt es, dass man ständig mit anderen Kollegen zu tun hat.
Ist doch schön!? Dynamisch heißt ja eine Bewegung, Entwicklung aufweisend. Also: Kontinuität, nicht vorhanden. Strukturen im Unternehmen kann man eventuell suchen.
Also entwickelt sich das Team noch? Würde ja bedeuten, dass das Team (die Abteilung, der Bereich) noch nicht lange besteht. Man könnte hier noch gestalterisch mitwirken. Strukturen schaffen, Abläufe strukturieren usw. Wäre von Vorteil für einige Bewerber.
Aber in einer Firma, die es schon seit Jahrzehnten gibt und von deren letzter runden Geburtstagsfeier stolz im Unternehmens-Blog berichtet wird? Bei der nirgendswo ein Indiz zu finden ist, dass man umstrukturiert, ein neues Geschäftsfeld etc. hat? Da bedeutet „dynamisch“ etwas vollkommen anderes.
Das Team Bewegung weist offensichtlich Bewegung auf!
Es bedeutet, dass hier ein stetiges Kommen und Gehen von Kollegen stattfindet. Man sich von neuen Kollegen nicht die Namen behalten muss, weil die sowieso bald wieder gehen. Man, wenn man ein paar Jahre dabei ist, schon zu den „Alten“ gehört. Und die Arbeit (Prozesse, Aufgaben etc.) ständig von Neuem begonnen, vermittelt übernommen etc. werden muss. Keine Kontinuität also.

Folglich: Eine Fluktuation von der nur Personalvermittler träumen können, weil sie hier dickes Geld verdienen.

Aber es heißt auch: Wer heute etwas zu sagen hat, ist morgen nicht mehr da oder auf einem anderen Posten. Man weiß nicht, wer heute einem noch etwas und vor allem was zu sagen hat. Wer welche Entscheidungen treffen darf. Ständig wird umstrukturiert. Ständig gibt es andere Aufgaben.

Wenn das „dynamische Team“ keine einfach so niedergeschrieben Floskel ist (vermutlich ist es das, um einfach modern zu wirken) bedeutet diese Aussage in der Regel, dass es hier keine Strukturen und kein geordnetes Arbeiten möglich ist. Wollen Kandidaten in solchen Unternehmen anfangen und tätig sein, wenn sie nicht nicht wissen, wer morgen noch da ist oder ob man selbst den Job noch hat, welche Entscheidungen von wem und Absprachen mit wem noch heute Abend ihre Gültigkeit haben oder morgen noch haben werden?

Dynamische Teams klingen gut. Schrecken aber potentielle Fachkräfte ab.

Wir sind ein junges Team!

Danke lieber HR-Mitarbeiter, dass Sie einen darauf hinweisen!

Ähnlich wie bei dem obigen dynamischen Team, kann es bedeuten, dass das Team sich erst gebildet hat, noch zusammenfindet.

Jedoch ist damit nicht selten was anderes assoziiert. Es bedeutet durch die Blume für den Bewerber: „Brauchst Dich gar nicht zu bewerben. Alte sind unerwünscht!“ Wobei „alt“ dann in der Regel Ü30 heißt!

Und warum? Weil diese Mitarbeiter Ihnen zu teuer sind. Nicht mehr formbar. Kennen ihre Rechte zu gut. Wissen was sie können und was der Wert ihrer Arbeit ist.
Seien Sie ehrlich. Wenn Sie von einem jungen Team reden, dann sind Ihnen Erfahrungen, Wissen ist egal. Sie wollen das nicht. Und wenn es so etwas seitens des Mitarbeiters gibt, dann wollen Sie nichts dafür bezahlen. Zählt aus Ihrer Sicht nämlich nichts und ist etwas für Omis und Opis (also Ü30)
Bewerben? Kandidaten, die das durchschauen werden sich bei Ihnen nicht melden. Sie werden nur junge Menschen ohne Erfahrungen finden. Sie wollen ja nichts anderes. Älter oder welche die schon etwas länger da sind werden, wenn Sie sich nicht von Ihnen trennen, den Rücken kehren. Wissen und Erfahrungen fließen bei Ihnen ab.

Obstkorb und freie Getränke

Nein, ich werde hier nicht über den Sinn und Unsinn von freien Getränken oder Obstkörben philosophieren oder dieses Angebot ins lächerliche ziehen. Das überlasse ich den Diskutanten auf LinkedIn oder Xing. An dieser Stelle soll auf einen ganz anderen Punkt hingewiesen werden.

Obstkörbe und freie Getränke sind an sich ja eine tolle Idee. Eine nette Aufmerksamkeit. Aber wen will man damit hinter dem Ofen vorlocken?
Denn eigentlich sollte das Gehalt ja reichen, um sich ggf. täglich Obst und Getränke, wenn man entsprechendes konsumieren will, zu kaufen und mitzubringen. Oder? Wenn nicht, dann sollten wir mal über ein ganz anderes Thema reden.
An dieser Stelle sollte man an an die Bedürfnispyramide denken! Denn mit Getränken und Obst sprecht Sie lediglich ein Grundbedürfnis an. Die Befriedigung von Grundbedürfnissen führt aber nicht zu mehr Motivation, Produktivität etc. Sie hat keine Auswirkung, solange sie befriedigt wird. Jedoch wenn das Grundbedürfnis nicht bedient wird, führt es zu Demotivation, sinkender Moral, sinkender Produktivität. (Was ja die studierten unter den Lesen im ersten oder zweiten Semester gelernt haben sollten).
 
Also wen lockt man hinter dem Ofen vor? Die erfahrene Fachkraft, der es wichtig ist, dass das Knowhoff entsprechend entlohnt wird? Den Familienvater/die Familienmutter, die gerne auch Zeit mit den Kleinen verbringen möchten, statt 10 Stunden im Job gefesselt zu sein? Den Mitarbeiter, der etwas weiter weg wohnt und die möglicherweise entstehenden Fahrtkosten sieht? Oder Oder Oder….
 
Dazu kommt, dass die Firma heute noch den Obstkorb anbietet. Aber was ist morgen? Was ist, wenn die Bundesfinanzminister plötzlich auf die Idee kommt (wenn er es nicht schon längst ist), ähnlich dem „Tanken“ von privaten eAutos auf Firmenkosten, den Obstkorb als Geldwerten Vorteil zu bewerten? Oder die Firma mal nicht so gut verdient und der Obstkorb den Sparmaßnahmen zum Opfer fällt?
 
Dann kommen wir wieder zum Thema Bedürfnisse und die Folgen der Be- oder Nichtbefriedigung: Obstkorb da = kein Effekt. Obstkorb nun weg = Unmut.
 
Zu dem kommt, dass diese Obstkörbe gefühlt alle anbieten. Wie wäre es mal mit echten Schmankerln? Z.B. betriebliche Gesundheitsvorsorge (Versicherer bieten arbeitgeberfinanzierte Zusatzkrankenversicherungen, Unfallversicherungen etc an), spart der Firma Steuern, reduziert beim Mitarbeiter Kosten und hat nicht jeder im Portfolio! Oder man nutzt die Möglichkeiten der „kleinen Geschenke“ (Stichwort monatlicher Tankgutschein zu 40 EUR)
 
Ganz ehrlich, wer bei Bewerbungsgesprächen nach solchen Dingen fragt, kann sich oftmals dem Gefühl, er rede eine unbekannte Fremdsprache, nicht verwehren: Mühsam verstecktes Unverständnis / versteckte Unkenntnis, was für nützliche Möglichkeiten zur Mitarbeiterbindung es gibt / möglich sind und dem Unternehmen auch noch steuerliche Vorteile bringen. Dabei nicht mal neu!
 

Es gibt etliche Möglichkeiten über Obstkörbe und Getränke hinaus, Mitarbeiter zu locken und zu binden. Kostet manchmal etwas Hirnschmalz!

Kickertisch

Auch der Kicker soll mal nur exemplarisch stehen für einige eigenartige Glaubensanwandlungen.

Was soll der Tisch bringen? Ach ja, er steht für: „Wir sind jung. Wir haben Spaß“. Schön. Aber…

Seien wir doch mal ehrlich: Wer soll das Spiel denn nutzen? Nicht nur, dass ein Kicker vermutlich nicht ausreicht um die mehrköpfige Belegschaft zu erheitern. Da die Leute zum Arbeiten da sind, kann der Tisch nur in der Pause verwendet werden. Wer ihn in der Arbeitszeit nutzt, hat wohl nichts zu tun, ist nicht ausgelastet und kann — Ja wegrationalisiert werden!

Und das wissen auch die Mitarbeiter. Spätestens wenn der erste Dauerkickerspieler seine Papiere abholen musste.

Folglich handelt es sich hier um ein Angebot, womit man vielleicht junge, hippe Arbeitskräfte anlockt. Aber die erfahrenen Fachkräfte werden auf so etwas nicht einmal anspringen. Eher könnte es dafür sorgen, dass die um Ihr Unternehmen eine Bogen machen. Denn wer sich mit solchen Speielreien beschäftigt, der nimmt das (Wirtschafts)Leben nicht ernst genug.

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